Synchronie


Episteme

Denken unterliegt immer Bedingtheiten, die der Denkende nicht sieht, er kann sie nicht mitdenken, denn es sind die Bedingungen des Denkens im Kontext seiner Zeit. Der Versuch der Analyse der Bedingungen jeweils im zeitgenössischen Kontext muss fehl schlagen, denn es ist, als würde man mit dem Auge versuchen, selbiges zu sehen. Reflexion findet immer erst nach dem Denken statt. Man ist eingebunden in die Bedingungen des Denkens und der Wahrnehmung, das Denken kann nicht aus sich heraus ausbrechen. Wir sind Teil der Episteme.

Welche inhärenten Prämissen unser Denken in der heutigen Zeit hat, werden nur künftige Generationen sagen können, indem sie in der historischen Rückschau analysieren können, entlang welcher Leitlinien wir gedacht haben. Und auch in der Retrospektive werden die Episteme nur erkenn-, bzw. analysierbar, wenn die Untersuchung auf Themenfelder betrachtet, die außerhalb der klassichen Erkenntnistheorie der Zeit liegen. Denn der Blick muss hinter das Subjekt gehen, durch das Subjekt durch, um die Muster des Denkens erkennen zu können. In seiner Art der Einordnung der erfahrbaren Welt, im Umgang mit den Objekten die uns umgeben, wird die Systematik offenbar, die ihr zugrunde liegt. Eine Analysemethode, die Foucault "Archäologie des Wissens" nennt.

Wir wähnen zwar, die Bedingungen zu kennen, die uns umgeben. Es sind aber jene, die eine Störung offenbaren, eine Unterbrechung des Musters und die deswegen außerhalb der inhärenten Systematik unserer Bedingungen des Denkens liegen. Unser Denken ist das Blatt auf dem See, das nicht erkennt, dass es kein Wasser ist, denn es sieht sich selbst nicht und erkennt nur Wasser um sich herum. Es sind nicht die Wellen, die geschlagen werden, die wir in ihrer Störung fälschlicherweise als Bedingungen zu erkennen meinen.

Die aktuelle konservative Kulturkritik oder besser gesagt der Kulturkampf, den Reaktionäre aller couleur zu führen meinen, setzt eine Erkenntnis voraus, die sie gar nicht haben kann. Sie weiß nicht, was sie kritisiert. Es wird uns gesagt, es sei die Relativität des Poststrukturalismus, die die Sicherheiten in der modernen Welt zunichte machte und deswegen sei der Poststrukturalismus schuld, dass die Welt aus den Fugen geraten ist. Was aber aus den Fugen geraten ist, ist ihr Wunsch, wieder in eine Zeit der Ähnlichkeit zurückzukehren, als würde man versuchen, gewonnene Erkenntnis wieder zu vergessen.

Vielleicht ist dies das Versäumnis der Politik, diesen Versuch nicht ehrlich als das zu bezeichnen, was er ist, nämlich eine Art Wahn, ein Versuch, den Kopf so lange an die Mauer zu hämmern, bis man vergessen hat, wer man ist. Wenn die Politik dieses Bestreben auch noch dadurch fördert, indem sie in einer Art Coping-Strategie eben diesen Wahn reproduziert, sollte sie sich zumindest nicht wundern, wenn Teile der Gesellschaft sektenartig der Halluzination verfallen, dass die Moderne dadurch bezwingbar wäre, indem man viele Walnüsse isst, weil sie dem Kopf der Menschen ähneln.

Aber auch das ist dann eben in die Episteme der Zeit eingebettet. Auch wenn man es heute nicht weiß, wundern tut man sich doch.


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